Cornelia Falken: Reden im Sächsischen Landtag

 

5. Sitzung des Sächsischen Landtages
10. Dezember 2004

Protokollauszug - Es gilt das gesprochene Wort!


Für eine veränderte Lernkultur


Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Ich bin Lehrerin und fange deshalb mit etwas Positivem an: Fraktionsübergreifend sind wir einer Meinung. Ich muss Ihnen sagen, das finde ich eigentlich ganz toll. Ich habe nach den ersten Sitzungen hier im Landtag nicht erwartet, dass uns das wirklich gelingt.
Fraktionsübergreifend sind wir der Auffassung, wir brauchen eine veränderte Lernkultur. Das habe ich von allen Fraktionen bisher gehört. Dazu stehen wir auch in der PDS.

Für eine veränderte Lernkultur brauchen wir aber – das ist notwendig – Voraussetzungen. Eine Voraussetzung dafür ist die soziale Integration und nicht die soziale Auslese. Wir brauchen in unseren Schulen individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen. Wir brauchen zunehmend – gehen Sie in die Grundschulen und hören und schauen Sie sich das an! – massive Sprachförderung.

(Beifall bei der PDS)

Unter den derzeitigen Bedingungen, die wir an unseren Schulen haben, ist eine verbesserte Lernkultur überhaupt nicht möglich. In der jetzigen Situation, die wir an den Schulen haben, wird eine veränderte Lernkultur nicht funktionieren. Ich sitze jede Woche im Bezirkspersonalrat und höre mir an, wie der Mangel verwaltet wird, nicht wie Schule gestaltet wird.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Schauen Sie sich die Abordnungspraxis, die derzeit an unseren Schulen herrscht, an. Wir haben in Sachsen fast gar keine Schule mehr, in der alle Lehrer nur an einer Schule arbeiten. Sie wandern von Schule zu Schule und von Ort zu Ort. Wir haben inzwischen im Freistaat Sachsen Schulen – ich kann Ihnen gern eine Liste mitbringen –, an denen mehr Gastlehrer unterrichten als Kollegen, die zum eigenen Stammpersonal gehören. Herr Lehmann, wackeln Sie nicht mit dem Kopf. Ich komme nachher gerne herum und zeige Ihnen, welche das sind.
Das ist katastrophal. Der aktuelle Rechnungshofbericht sagt aus, dass der Ausfall an den Mittelschulen um 46 Prozent höher ist, als die Staatsregierung ausgewiesen hat.
Ich halte das für äußerst bedenklich.

Ich habe gestern einen Brief von einem Schüler aus der 9. Klasse einer Mittelschule erhalten. Er schreibt mir, dass er in der vergangenen Woche in seiner Schule 100 Ausfallstunden gezählt hat. Dabei hat er nur die reinen Ausfallstunden und nicht die, in denen sie noch beschäftigt worden sind, berücksichtigt. Das ist die klare Situation, die wir derzeit an den Schulen haben.

Streichung von Ergänzungsbereichen und Förderunterricht sind gang und gäbe. Das ist das Normale an unseren Schulen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! – Oh, leider ist nicht da. Hoffentlich haben wir ihn noch nicht verloren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Er ist in der Schule!)

Der Ministerpräsident hat gestern in seiner Rede gesagt, er wolle bestmögliche Förderung für unsere Schüler. Sie kommen nicht darum herum, dass ich Ihnen heute Teile aus dem Brief des Regionalschulamtes Dresden vortragen muss – der Brief ist vom 30.11.2004.
Das bedeutet: "Bestmögliche Förderung unserer Schüler" heißt:

Für mich war dann wirklich die Krönung, dass in diesem Schreiben auch noch steht, dass sie die Referendare, selbst im ersten Ausbildungsjahr, ohne Mentoren in den Unterricht lassen.

Ich weiß wirklich nicht, was dabei herauskommen soll. Das ist ein Brief. Ich bin jede Woche bei Personalversammlungen an Schulen. Ich kann Ihnen sagen, das ist nicht nur ein Brief, sondern das ist die Realität.

(Beifall bei der PDS – Dr. André Hahn, PDS: Leider!)

Wir brauchen keine Stellenstreichungen im Lehrerbereich. Wir brauchen auch keine Stellenstreichungen im Mittelschul- und Gymnasialbereich, damit wir sie dann an die Grundschulen geben. Die 800 Stellen für die Schuleingangsphase sind zwingend notwendig, so schnell wie möglich. Wir können nicht noch ein halbes Jahr warten. Aber damit haben wir nur den Schuleingangsbereich abgedeckt. Was ist mit dem Rest, den ich Ihnen gerade vorgelesen habe? Dafür brauchen wir auch zusätzliche Stellen.
Wir haben im Grundschulbereich ein Lehrerpotenzial, das engagiert ist und das ein Arbeitsvermögen zur Verfügung hat.

(Beifall bei der PDS)

Wir brauchen eine hohe Allgemeinbildung in unserer Gesellschaft. Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU! Ich frage mich eigentlich schon eine ganze Weile: Wovor haben Sie Angst? Haben Sie davor Angst, dass die Opposition und die SPD, weil sie eigentlich auch ein gemeinsames längeres Lernen möchte, Recht haben könnten? Davor brauchen Sie keine Angst zu haben, weil das so ist. Das ist bewiesen.

(Beifall bei der PDS)

Angst haben sollten Sie davor, dass Wählerinnen und Wähler – in dieser Wahlperiode wird Bildungspolitik ein Schwerpunkt sein – Sie zur nächsten Wahl noch mehr abstrafen.

(Beifall bei der PDS)


eMail an Cornelia Falken: conny-falken@web.de      

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